IN THE JUNGLE, THE MIGHTY JUNGLE (I/IV)
DUMAQUETE · PHILIPINNEN
Still steht sie zwischen feingliedrigem Geäst und sattem Blattwerk. Rührt sich nicht, schmeckt feucht und fett. Mit jedem Schritt hinein in den Dschungel schieben wir die schwere Luft vor uns her. Schon perlt sie salzig von unserer Stirn, rinnt schwer die Vertiefung zwischen unseren Schulterblättern hinab.
Mit einem satten Schmatzen verschlingt ockerfarbener Schlamm den zwischen großem und nächstem Zeh verkeilten Flipflop, quillt schon zwischen all meinen Zehen hervor, um nun den gesamten Fuß zu umschlingen. Knöcheltief versinke ich. Die Matschlawine wächst an Wade und Schienbein empor. Das Weich umschlingt mich unangenehm warm. Ich taumle, schwanke bedrohlich. Die Kamera in der einen Hand, die andere von mir gestreckt, Richtung Felsvorsprung greifend. Gerade noch finde ich mein Gleichgewicht wieder.
Das nunmehr spärliche Hell schickt sich an, hinter dem fernen Horizont zu verglühen. Links flach und breit abfallende Weite, rechts dichter, undurchdringlicher Dschungel. Drunten stößt sich das Meer vom Land ab, streckt sich weit gen Horizont, glitzert silbern, färbt sich: irisierendes Türkis wird leuchtendes Orange wird tiefes Blau. Lange Schatten treten aus dem Grün, räkeln sich, greifen nach dem unmerklichen, irdenen Pfad. Was für eine volle, pralle, prächtige Welt.
AM ENDE DER STRASSE
Die Straße endet. Jedenfalls das, was einmal als Straße begonnen hatte, unten am Fuß des Berges. Die Nadel zittert schon seit geraumer Zeit im roten Bereich. Das stetige, manchmal steile Bergauf über losen Kies, staubigen Dreck und mitunter faustgroße steinerne Brocken, durch tiefe Rinnen und auf schmalen Pfaden entlang hat viel Energie gekostet. Wir sind – glaubt man der Karte – unserem Ziel zum Greifen nah. Ein kleines Haus mit grob vergittertem Ladenfenster liegt am Wegesrand. Ein rundes Gesicht blickt ungläubig ob der Touristen heraus. Ralph bemüht sich um eine Kontaktaufnahme auf Philippinisch. Die heißen Quellen? Die sind noch etwas weiter oben im Berg zu finden. Aber wir sollen besser die Zweiräder stehen lassen, quer durch das Gestrüpp gehen. Wie weit es denn noch etwa ist, versucht Ralph es noch einmal. Keine eindeutige Antwort.
Unschlüssig stehen wir beisammen. Was nun? War es das? Echt jetzt? Während wir unzufrieden den Staub treten, gesellt sich ein drahtiger Mittvierziger zu uns. Wir erfahren, er ist der Vater der Ladenfensterfrau. Er wird uns führen. Unser Guide zu den Quellen. Schon läuft er los. Bevor wir die Siedlung hinter uns lassen, führt er uns, vorbei an windschiefen Holzhütten, zu einem, an einer, mit schweren Steinen befestigten Straße, gelegenem Häuschen. Verschwindet darin. Leises Stimmengewirr, männlich, weiblich, wieder männlich. Ein aufgeregter, aschgrauer und zudem sehr pummeliger Vierbeiner schwänzelt mit gewissem Sicherheitsabstand um uns herum. Blafft heiser, winselt schrill, wedelt mit dem Stummelschwanz. Mal abwechselnd, mal alles auf einmal. Fragend blicken wir uns an. Warten.
Die Sonne hängt bereits tief am Horizont. Der schwere Dunst verdichtet sich, die Fasern meines Shirts saugen begierig die Feuchtigkeit auf. Satt und leckend klebt der Stoff an meiner Haut. Mit schier unerträglicher Gelassenheit tritt unser Guide aus dem Haus, hält ein Schulheft mit festem dunklem Einband in Händen. Ein plastikgelber Stift ist an die vorderste Seite geklemmt. Aufgeschlagen streckt er es uns geduldig entgegen. Wir sollen uns also registrieren. Eher zaghaft schreiben wir: Name, Geburtsdatum, Geschlecht und Herkunftsland. Ach, Gott sei Dank, heute waren bereits vier andere Reisende hier. Und überhaupt ist das Buch ganz gut mit Namen aller Herkunftsländer gefüllt. Mit beinahe großzügiger Unbefangenheit schreitet er voran, bedeutet uns, zu folgen. Hurtig schließen wir auf. Ronald mit versagender Stimme: Das war die Liste der Vermissten, auf die wir schon einmal vorsorglich unsere Namen gesetzt haben. Ein Scherz: Wir lachen albern.
3. Juli 2016